Ohne Worte

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Hochverehrter Leser, hochverehrte Leserin. Ihr erwartet hier jetzt einen Bericht. Eine Chronik. Eine Zusammenfassung dessen, was sich in den letzten 5 Tagen zugetragen hat. Aber vergebt mit. Ich kann nicht. Ich kann es nicht in Worte fassen. Ich bin sprachlos.

Könnte ich sprechen, reden, schreiben, würde ich Euch erzählen von einer Saison voller Höhen (mehr) und Tiefen (weitaus weniger). Von Derbysiegen, Pokalniederlagen, Comebacks, glanzvollen Auftritten. Von einem stotternden Endspurt voller Enttäuschungen. Von einer Niederlage, die ein Sieg war. In Leverkusen. Von einem gehemmten Saisonabschluß gegen Düsseldorf mit einer Pokalübergabe, die schön, aber damals wertlos war.

Ich könnte Euch erzählen von einem Stadtteil im Ausnahmezustand. Von rasant über die Ladentheke gehenden Eintrittskarten, die schneller weg waren als das Kölsch an Karneval.

Ich könnte Euch berichten von einem Mittwoch Ende Mai, trocken, aber bedeckt, was das Wetter anging. Von Angespanntheit. Nervosität. Aber auch Vorfreude.

Ich könnte schreiben von dem Gefühl von Genugtuung endlich ein ausverkauftes Südstadion zu sehen. In das die Menschen strömten um dem Meister der Regionalliga West beim Aufsteigen zuzusehen. Von lachenden, erwartungsvollen Menschen, die die Ränge füllten und sich Geschichten aus vergangenen Tagen erzählten, als große Namen im Südstadion zu Gast waren. Von einer proppevollen Gästekurve mit netter Choreographie vor Anpfiff. Von einer noch mehr Gänsehaut verursachenden Choreo auf Stehplatz Mitte.

Ich könnte reden von einem Spiel, daß nicht schön, aber unglaublich spannend war. Von wie Fliegen fallenden Gegnern, die keine Gelegenheit ausließen zu provozieren und sich auch über einen Elfmeter nicht beklagen hätten können. Von einem bis zum letzten kämpfenden Ercan Aydogmus, der eigentlich mit einer roten Karte vom Platz gehört hätte.

Ich könnte Euch erzählen von einem Einwurf, einem Kopfball, einer Stolperei und einem explodierenden Südstadion, daß den Führungstreffer von Thomas Kraus feierte. Von einem unendlich guten Gefühl nach dem Abpfiff und einer wunderbaren Nacht auf den Straßen Kölns mit alten Freunden, die mir nach dem Spiel über den Weg liefen.

Ich könnte berichten von einer Fahrt nach München am nächsten Tag zum dort wohnenden Teil meiner Familie mit schönen Abenden bei Konzerten und Nachbarschaftsfesten.

Und dann, dann könnte ich erzählen von einer vor Nervosität sehr leisen Fahrt nach Giesing, ins Stadion an der Grünwalder Straße. Von dem Gefühl, in der Fremde zu Hause zu sein, weil so viele bekannte Gesichter auf dem Rängen standen.

Ich könnte Euch mit trauriger Stimme von der ersten Halbzeit erzählen. Als Fortuna überhaupt nicht ins Spiel fand. Sich einen Gegentreffer und noch mehr gelbe Karten fing. Von einer haarigen Rudelbildung, in der ein sonst eher schlechter Schiedsrichter Fingerspitzengefühl bewies. Einer Halbzeit, in den der Gegner wieder reihenweise lamentierend und provozierend auf dem Rasen lag.

Ich könnte berichten von einem Gefühl leiser Hoffnung. Von einer Halbzeitunterhaltung, in der ich mir mit meinem Gesprächspartnern einig war, daß wir auch einen Treffer in der letzten Minute der Nachspielzeit, vielleicht in der 95. oder so, nehmen würden. Auch, wenn das Endergebnis dann 1:2 heißen würde.

Von einer furios aus der Kabine kommenden Fortuna könnte ich erzählen. Die dem Gegner keine Luft ließ und fast durch einen Lattenkracher ausgeglichen hätte. Von unglaublichem Frust, als das Spiel wieder in die andere Richtung kippte. Von einem Gefühl von Hoffnungslosigkeit, als Kristoffer Andersen die gelb-rote Karte sah. Die sicherlich berichtigt, aber in dem Moment so selten dämlich erschien. Von einem Foul an einem durchgebrochenen Bayernstürmer, daß eigentlich auch Rot hätte geben können. Von einer geradezu halsbrecherischen Rettungsaktion von Florian Hörnig, der für seinen geschlagenen Torhüter Andre Poggenborg einen Ball von der Linie kratzte. Und wie ich danach zu meinen Begleitern sagte, daß man mit solchen Dingern eigentlich das glücklichere Ende für sich haben sollte. Vom zweiten Gegentreffer kurz vor Schluß und einer Leere, die alle Menschen auf den Stehplätzen erfasste. Von vor ihrer Kurve bzw ihrer Gegengerade jubelnden Bayern und ihren Ersatzspielern. Und von einem Gefühl, daß jetzt nur noch ein langer Ball helfen würde.

Und dann … dann … (ich muß mich sammeln) … dann könnte ich, wenn ich gerade nicht mit Tränen in den Augen vor dem Rechner sitze würde … dann könnte ich von einem langen Ball schreiben. Der von der Mittellinie kam. In der 93. Minute. Und wie Bayernkeeper Lukas Raeder hochsprang und ich den Kopf kurz hängen ließ. Aus dem Augenwinkel aber noch sah, daß er unter dem Ball hindurchsprang. Und der Ball über ihn flog. Und ein gelbes Hemd, daß Oliver Laux gehörte, in Richtung Tor lief. Und Nils Dübbert ihm zuschrie, daß er dem Ball nachgehen soll, weil er eigentlich schon frustriert abdrehte. Und auf einmal …. auf einmal …

… alles explodierte. Becher flogen. Menschen sich um den Hals fielen. Tränen kullerten. Gesichter lachten. Kehlen wund waren. Chaos herrschte. Das Ziel zu sehen war. Die Hoffnung zurückkam. Die komplette Bank der Fortuna auf dem Platz lag. Alle. Die ganze Fortuna war auf dem Rasen.

Ich könnte mit zitterender Stimme sagen, wie das Spiel wieder angepfiffen wurde. Wie Bayern alles nach vorne warf. Wie Fortuna alles hinten rein warf. Wie Sekunden zu Minuten und Stunden wurden.

Ich könnte mit tränenersticktem Krächzen erzählen, wie der Schlußpfiff kam. Wie alle Dämme brachen. Wie ein Inferno ausbrach. Wie ich einen Freund anrief und ihm nur „Aufstieg“ auf die Mailbox schrie. Wie Menschen neben mir heulend sagten, daß die in Köln Wartenden noch gar nichts vom Spielausgang wußten und man denen unbedingt Bescheid sagen müsse.

Wie die Spieler abgingen in ihren – sehr selbstbewußt vorgefertigten – Aufsteigershirts zu den Auswärtsfans kamen. Wie Uwe Koschinat mit uns allen nach Mailand fuhr. Wie Klaus Ulonska Sturzbäche über die Wangen liefen und die Menschen seinen Namen riefen. Wie Markus Pazurek auf den Zaun stieg, um mit dem feiernden Mob die Humba anzustimmen und dabei Gegner und den Verein aus Höhenberg nicht vergaß. Wie Thomas Kraus schreiend am Gitter stand. Wie alles um mich herum eine einzige, große Party war.

Das alles, und sicher noch viel mehr, hätte ich erzählen können. Wenn mir die Kraft dazu geblieben wäre.

Aber eins, eins wollte ich auf jeden Fall noch loswerden. Eins muß ich unbedingt noch sagen. Eine Sache liegt mir noch am Herzen.

AUFSTEIGER, VERDAMMT!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!

3 Gedanken zu „Ohne Worte

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